Der ewige Umstieg auf IPv6

Im Bereich der IT fängt inzwischen, langsam aber zuversichtlich, der Umstieg oder die Parallelisierung von IPv6 Adressen an.
Aber warum erst so spät? Über 23 Jahre nach offizieller Veröffentlichung des Protokolls? [1]

Obwohl es gerade eine Umbruchstimmung gibt, ist die Nachfrage nach IPv6 noch sehr gering. Viele bestehen weiterhin auf ihre IPv4. Auf die schönen maximalen 12 Zahlen und 4 Punkten; denn das kann man sich ja merken.

Es war meiner Meinung nach ein Fehler IPv4 weiter zu nutzen. Und trotz dessen das man wusste, dass man mit IPv4 nicht weit kommen wird, wurde IPv6 im Schatten gelassen.

Die Europäische Vergabestelle von IP Adressen, namens RIPE NCC, hat bereits 2019 ihr letztes freies IPv4 Netz vergeben. [2]

Today, at 15:35 (UTC+1) on 25 November 2019, we made our final /22 IPv4 allocation from the last remaining addresses in our available pool.

We have now run out of IPv4 addresses.

https://www.ripe.net/publications/news/about-ripe-ncc-and-ripe/the-ripe-ncc-has-run-out-of-ipv4-addresses

Kurze Erklärung zum Aufbau von IPv4 & Ipv6

Vielleicht gibt es gerade noch Leser, welche mit den Bezeichnungen IPv4 & Ipv6 noch nicht klar kommen. Ich habe daher hier eine kurze Tabelle mit den deutlichen Unterscheidungsmerkmalen:

IPv4IPv6
1981 veröffentlicht1998 veröffentlicht
32-Bit-IP-Adresse128-Bit-IP-Adresse
4,3 Milliarden Adressen7,9×1028 Adressen
Numerische punktierte Dezimalschreibweise
z.B.: 192.168.178.12
Alphanumerische Hexadezimalschreibweise
2001:0db8:85a3:0000:0000:8a2e:0370:7334
oder komprimiert: 2001:db8:85a3::8a2e:370:7334
DHCP oder manuelle KonfigurationUnterstützt die automatische Konfiguration

Was man zu Einführung von IPv4 nicht bedacht hat

IPv4 wurde zu einer Zeit entwickelt, als IBM noch der führende Computerherstellt war und Computer noch so aussahen:

Zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 1981, hätte noch niemand daran geträumt, dass in der Zukunft die Haustürklingel, der Rasenmäher oder etwas inzwischen alltägliches wie ein Handy, eine IP Adresse bekommen wird, damit man immer und von überall auf diese Geräte zugreifen kann.

Erst 1989 wurde die Grenze von 100.000 Rechnern überschritten. In demselben Jahr steig die Kapazität des Backbone auf 1,5 Megabit pro Sekunde. [8]

Warum steigt keiner um?

Das Internet Protokoll, Version 4, (IPv4), das jetzt verwendet wird, stammt quasi aus der Pionierzeit des Internet. Es wurde 1981, also 7 Jahre vor IPv6, von der IETF veröffentlicht. [3]

Schon damals wusste man, dass IPv4 keine Zukunft haben kann. Man dachte zu Beginn des Internets, wo nur Universitäten, reiche Menschen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen damit arbeiteten, dass 4.294.967.296 IPv4 Adressen sicher ausreichen werden. Wie falsch sie doch lagen. Doch man erkannte das Knappheitsproblem recht schnell und hat das Konzept für IPv6 Entwickelt. Die verbesserte Version, sozusagen. Denn mit IPv6 hat man nun 3,4 x 1038 IPv6 Adressen. Ausgeschrieben als Zahl ist das dann: 340.282.366.900.000.000.000.000.000.000.000.000.000, also rund 340 Sextillionen Adressen.

Hier nochmal im Vergleich:
IPv6: 340.282.366.900.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Adressen
IPv4: __________________________________________ 4.294.967.296 Adressen

Ich denke, man erkennt deutlich, dass wir mit IPv6 nicht so schnell aufgebraucht sind.

Zu den von RIPE ergriffenen Maßnahmen zählt auch die Schaffung einer Warteliste, verabschiedet am 30. Juli 2019. [10] Sinkt die maximale Größe der freien IPv4-Adressblöcke unter 1.024, gibt es nur noch Päckchen von 256 Adressen.

Das viele Endkunden und auch Unternehmen selbst noch auf IPv4 aufbauen und damit irrsinnig viel Geld für die IPv4 Adressen zahlen, ist teilweise auch Software verschuldet. Denn selbst im Jahr 2021 wird noch Software (weiter-)entwickelt, welche nur IPv4 unterstützt. Ob zum Verbinden, in Konfigurationen oder um sich selbst zu hosten.

Welche Vorteile bringt IPv6

Oft wird das IPv6 Protokoll als IPv4 nur mit längeren Adressen bezeichnet. Das ist jedoch falsch. Denn das IPv6 Protokoll besitzt eine Vielzahl neuer Funktionen. Erfahrungen mit dem IPv4 Protokoll lassen sich daher nur schwer auf Ipv6 übertragen. 

Die Vorteile von IPv6:

  • Größerer Adressraum abbildbar aufgrund längerer Adressen
  • Autokonfiguration der IPv6 Adresse
  • Multicast durch spezielle Adressen
  • Datenpakete bis zu 4 Gigabyte
  • Schnelleres Routing

Einer der größten Vorteile von IPv6 gegenüber IPv4 ist jedoch die Aufteilung der Header. Sie ist sowohl einfacher als auch leistungsfähiger, und das bei nicht einmal einer Verdoppelung der erforderlichen Bytes. Version 4 benötigt mindestens 20 Byte und eine Reihe von Optionen. Die Header der Version sechs benötigen 40 Byte. Sie transportieren Metainformationen über Adressennachnummerierung, Multicast sowie Anycast und erlauben Hierarchien.

Quelle [9]

Ist das ein deutsches Problem?

Bereits 2012 rief die Internet Society Hersteller und Internetanbieter dazu auf, die Unterstützung von IPv6 nicht länger nur als Option zu betrachten.

Obwohl die europäischen Länder, allen voran Norwegen, bei der Einführung von IPv6 weltweit führend sind, gibt es noch einen enormen Nachholbedarf. Die Umstellung auf IPv6 ist keine leichte Aufgabe. Es gibt zahlreiche Probleme, insbesondere bei DNS-Servern, die auf das neue Protokoll vorbereitet werden müssen. Außerdem muss das Vorgängerprotokoll IPv4 während der Übergangszeit zu IPv6 weiterhin unterstützt werden.

Seit 2002 hatte die Deutsche Telekom AG angekündigt, mit dem IPv4-Nachfolgeprotokoll IPv6 dem Adressmangel im Domain Name System eine Ende zu setzen. Doch selbst 20 Jahre später, beritten sie den Weg nahezu allein.

Als Beispiel der Mobilfunk; dort findet man IPv6 bis heute nur im LTE-Mobilfunknetz der Telekom (4G). [11] Der Vorschlag, dass die DNS Root-Server ab 2026 DNS-Anfragen nur noch per IPv6 beantworten sollen, fang keine Mehrheit.

Doch wie sieht es auf der anderen Seite der Welt aus?

China steigt auf IPv6 um

Einem Bericht des Online-Magazins heise.de zufolge müssen die Mobilfunkbetreiber ihren Anteil im IPv6-Verkehr bis Ende 2023 auf 50 Prozent und bis Ende 2025 auf Anweisung der Regierung sogar auf 70 Prozent erhöhen. [7]

Ebenfalls sollten große kommerzielle Websiten dort bald den vollständigen Umstieg meistern. Denn bis 2025 sollen 95% der Websiten über IPv6 erreichbar sein. Die restlichen 5% sollen toleriert werden.

Das Ministerium verordnet, dass 700 Millionen aktive IPv6 Nutzer bis Ende 2023 und 800 Millionen bis Ende 2025.

Denn auch in China und dessen Internet-Registry „APNIC“, sowie alle weiteren Registry, hat keine freien Adressen mehr. [6]

Hier eine ausführliche Tabelle mit den gesetzlichen Vorgaben in China.

Vorgabeumzusetzen bis 2023umzusetzen bis 2025
Zahl aktiver IPv6-Nutzer (in 100 Mio.)78
Zahl an IoT-Verbindungen (in 100 Mio.)24
IPv6-Anteil am Mobilverkehr50 %70 %
IPv6-Anteil am Festnetzverkehr15 %20 %
Anteil an WLAN-Routern mit IPv630 %50 %
Regierungsseiten via IPv6 abrufbar80 %95 %
wichtige kommerzielle Sites und mobile Apps via IPv6 abrufbar80 %95 %
Anzahl innovativer IPv6+-Projekte100500
[7]


China treibt damit den Markt um Ipv6 an und fördert auch die Entwicklung von IPv6 unterstützter Software. Auch wird der CloudServer Markt weiter auf IPv6 gebracht, was dem globalen Nutzern weiter die IPv6 Adressen näher bringt.

Das IPv6 Adressen beliebter werden müssen, besonders im Europäischen Raum, zeigt die Statistik der vergebenen IPv6 Spaces:

(Bild: NRO)

Schlusswort

Das Internet stand bereits einmal vor einem ähnlichen Problem, als die Migration von ASCII zu Unicode anstand. Schon damals schoben Unternehmen und Provider diesen Umstieg vor sich hin.

Tatsache ist jedoch, dass sich IPv6-Adressen für alle Internetdienste und Endgeräte in Asien und zunehmend auch in den USA durchsetzen.

Wenn deutsche Unternehmen den Anschluss an den Weltmarkt nicht verlieren wollen, werden sie auch hier migrieren müssen.


Quellen

[1] https://datatracker.ietf.org/doc/html/rfc2460
[2] https://www.ripe.net/publications/news/about-ripe-ncc-and-ripe/the-ripe-ncc-has-run-out-of-ipv4-addresses
[3] https://datatracker.ietf.org/doc/html/rfc791
[4] Amstrad CPC464 (1984) Von Bill Bertram – Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=133247
[5] Commodore VC 20 (1981) Von Cbmeeks / processed by Pixel8 – Original uploader was Cbmeeks at en.wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3672924
[6] https://www.apnic.net/manage-ip/ipv4-exhaustion/
[7] https://www.heise.de/news/Internet-Protokolle-Wie-China-IPv4-zugunsten-von-IPv6-abloest-6171126.html
[8] https://www.ip-insider.de/ipv6-schlaegt-ipv4-aber-warum-steigt-keiner-um-a-246120/
[9] Bild: Meinel/HPI (Archiv: Vogel Business Media)
[10] https://www.ripe.net/manage-ips-and-asns/ipv4/ipv4-waiting-list
[11] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Telekom-startet-IPv6-Einfuehrung-im-Mobilfunknetz-2741029.html
https://www.tecchannel.de/a/ratgeber-alles-was-sie-ueber-ipv6-wissen-sollten,2035716,3
https://www.vodafone.de/business/featured/digitales-business/digitaler-arbeitsplatz/ipv4-versus-ipv6-gibt-es-akuten-handlungsbedarf-fuer-unternehmen/

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